Der Nil - Quelle des Lebens

Der Nil ist 6700 km lang und gehört somit zu den längsten Strömen der Erde. Doch es täuscht. Würde man das Einzugsgebiet und die Wasserführung auch mit bewerten, so mischt er zwar fast zuvorderst, aber liegt doch vergleichs weise etwas zurück.

Der Nil - Quelle des Lebens

Der Nil ist 6700 km lang und gehört somit zu den längsten Strömen der Erde. Doch es täuscht. Würde man das Einzugsgebiet und die Wasserführung auch mit bewerten, so mischt er zwar fast zuvorderst, aber liegt doch vergleichs weise etwas zurück.


Der Nil

Der Nil fliesst durch viele Gebiete, aber nicht jedes Gebiet oder jede Region besitzt die gleichen Klimaverhältnisse. Seine Zuflüsse die er im oberen Abschnitt empfängt, stammen aus Gebieten mit ganz unterschiedlichen Niederschlagsverteilungen, deshalb wird der Nil in Ägypten meist als Fremdlingsfluss bezeichnet. Die Wasserführung des Nils ist sehr unausgeglichen. Sie zeigt grosse Schwankungen im Jahresgang und ist deshalb von Jahr zu Jahr unberechenbar und sprunghaft. Dies verursacht wirtschaftlich Probleme in Ägypten, die auch mit modernsten technischen Methoden nicht ganz zu lösen sind.

Schon im alten Testament steht die Geschichte von Pharaos Traum mit den sieben fetten Ähren und den sieben mageren und dessen Deutung durch Joseph. Die Frucht vor der Trockenheit und Hungersnot (sieben fette Jahre; sieben magere Jahre) ist noch immer tief im Bewusstsein des ägyptischen Bauern verwurzelt.

Als eine langerstreckte Flussoase zieht sich das Kulturland von Süden nach Norden durch den Wüstenstaat. Hier wohnen und wirtschaften die Menschen seit über 6000 Jahren. Nur auf engumgrenzten Gebiet, dort wo Wasser des Nils mit dem fruchtbaren Schlamm hingeleitet werden kann, ist das Land bebaubar. In zweifacher Hinsicht ist Ägypten (darunter auch andere Länder) „ein Geschenk des Nils.“

Das Kulturland

Die Ausweitung der bebaubaren Fläche, die kaum in einem Land so scharf begrenzt ist wie im Niltal, ist deshalb seit Jahrhunderten das vordringlichste Problem. Dem ganzen Nil entlang schaffte man in kleinen Flächen neues Kulturland, meist am Talrand und zwischen dem alten Bewässerungsland und der Steilstufe zur Wüstentafel. Zusammenhängende Neuland entstanden durch Bewässerung oder durch die Trockenlegung und Erschliessung grösserer Brachländer und Sumpf- gebiete im Delta. Dies bedingte aber gewaltige Eingriffe in den natürlichen Wasserhaushalt des Nils.

Die Bebauung des Kulturlandes

Seit Jahrtausenden bearbeiten Generationen von ägyptischen Bauern ( Fellachen ) das schmale Niltal. Damals wie heute bildet die Landwirtschaft die Lebensgrundlage der Gesellschaft. Noch Anfang der 50er Jahre betrug ihr Anteil am Sozialprodukt 40 Prozent, gab sie 60 Prozent der Beschäftigten Arbeit.

Seitdem ist ihre Bedeutung stark gesunken. Zwei Dauerprobleme sind die Hauptursachen: Das eng begrenzte Fruchtland ( nur 2,5% der Fläche Ägyptens) führt bei steigender Bevölkerungszahl zu grossen Ungleichheiten im Grundbesitz und zu einem wachsenden Heer von Landlosen. Darüber hinaus sind die Produktionsmittel und – methoden – völlig veraltet. Eine niedrige Produktivität ist die Folge. Die nasseristische Agrarpolitik ab 1952 hat zwar Ernteflächen um einen Sechstel vergrössert und die katastrophale Lage der ländlichen Bevölkerung verbessert; sie hat allerdings auch viele Probleme offen gelassen. Die Sadat`sche Öffnungspolitik dagegen vernachlässigte die Landwirtschaft stark. Die Agrarinvestitionen sanken rapide und die Neulandgewinnung beschränkte sich meist auf kostspielige Prestigeprojekte wie die Erschliessung von Neuland in der wüste. Während die Erntefläche nur geringfügig wuchs, gingen gleich 20 % des wertvollen Fruchtlandes verloren, weil der Boden unkontrolliert in Bauland umgewandelt wurde und die Erde für die Ziegelfabrikation abtransportiert wurde.

Noch immer beschäftigt der Agrarsektor über einen Drittel aller Erwerbstätigen. Allerdings sanken von 1971 bis 1987 die Zuwachsraten der Landwirtschaft auf 1,6% und ihr Beitrag zum Sozialprodukt auf 17% . ab Mitte der 70er führte Ägypten erstmals mehr Agrarprodukte auf ein als aus; und 1989 musste es sogar ein Drittel der Nahrungsmittel einführen. In den letzten Jahren wurden die staatlich festgesetzten Agrarpreise erhöht bzw. aufgehoben, um die Bauern zu Produktionssteigerungen zu motivieren.

Lange blieb verarmten Bauern nur der traditionelle Fluchtweg vom Land in die Stadt. Seit dem Öl- boom der 70er Jahre erlebt das ägyptische Dorf jedoch ein neues Phänomen: die Arbeitskräfte- wanderung ins Ausland, vor allem Golfstaaten. Die etwa eine Million vom Land kommenden Gast- arbeiter verbessern mit ihren Überweisungen zweifelsohne den Lebensstandard auf dem Land.

Die Migration brachte aber auch Nachteile: Vor allem Saisonzeiten werden die Arbeitskräfte in einigen Gebieten knapp. Auch wollen viele Rückkehrer nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten. Ihre Erspar-

nisse investieren sie oft in den Dienstleistungsbereich, in den Hausbar oder in Grundbesitz. Zugleich ändern sich traditionelle Konsummuster und Verhaltensweisen, verlieren soziale Werte ihre Bedeutung. Das ägyptische Dorf befindet sich in einem grossen Umbruch. Es bleibt nur noch die Frage:“ Können die Fellachen Ägypten noch ernähren.“


Mehr Produzieren als Konsumieren

Ein altes Segelboot auf dem Nil, das Leck geschlagen und bald sinken wird – so beschrieb Ende der 60er Jahre eine englische Zeitung die ägyptische Wirtschaft. Zweifellos hatte und hat Ägypten viele Ökonomische Probleme: Das Land konsumiert mehr, als es produziert, importiert mehr als es exportiert. Es leidet unter chronischem Zahlungsbilanz- und Haushaltsdefizit; und die Aussenver – schuldung war 1990 auf 50 Milliarden US – Dollar angewachsen. Hinzu kommen hohe eine Inflations- rate, hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Produktivität. Aber noch ist das Boot nicht gesunken.

Zum Glück besitzt Ägypten gute Potentiale; natürliche Ressourcen wie der Nil, den fruchtbaren Boden und das Erdöl, sowie günstige Verkehrslage, einen grossen Binnenmarkt und den höchsten Bildungs- und Organisationsgrad von allen arabischen Ländern. Diese Faktoren trugen dazu bei, das trotz fünf kostspieliger Kriege beachtliche wirtschaftliche Leistungen erbracht wurden.

Ägypten erlebte zwei sehr unterschiedliche Wachstumsphasen: In der ersten von 1957 bis 1965 unter Gamal Abdel nasser wurde die Entwicklung zunehmend staatlich geplant und fast der gesamte moderene Sektor verstaatlicht. Die Kernpunkte seiner Politik haben sich bis heute erhalten: der dominierende Staatssektor, die breite industrielle Basis und das Netz sozialer Sicherung.

Nach einer Periode der relativen Stagnation folgte 1974 bis 1982 die zweite Phase unter Anwarb El-Salat. Mit der Politik der Öffnung begann eine Revision des nasseristischen Entwicklungsmodells:

Liberalisierung der Wirtschaft, Werben um ausländisches Kapital, Belebung des privaten und Einschränkung des staatlichen Sektors.

Die Ergebnisse waren zunächst beachtlich: Ein Kapitalstrom aus arabischen Ölländern und westlichen

Industriestaaten und ein enormes Wachstum bei den ägyptischen Devisenbringern – Erdöl, Suezkanal, Tourismus und Überweisungen der Gastarbeiter – brachte Ägypten bis 1982 mehr als 100 Milliarden US – Dollar ein. Diese Summen führten bei einer Wachstumsrate des Sozialprodukts von jährlich 9% zu einem nie dagewesenen Importboom und zur Verbesserung des Lebensstandarts bei breiten Gesellschaftsschichten.

Zugleich aber waren die ökonomischen und sozialen Kosten dieses Wachstums hoch: Die in- und ausländischen privaten Investitionen flossen meist in kurzfristig profitable Bereiche, wie Banken, Handel, Tourismus und Wohnungsbau, die staatlichen dagegen in Dienstleistungen, in die Infrastruktur oder in Fehlplanungen. Der Industriesektor wurde schwer vernachlässigt und obendrein durch den uneingeschränkten Importboom einem harten internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Abhängigkeit vom Ausland verschärfte sich – nicht nur durch sprunghaft gestiegene Verschuldung, sondern auch, weil die wichtigsten Deviseneinnahmen von internationalen Faktoren wie etwa dem Ölpreis abhängen.

Letztlich war die Öffnungspolitik ohne klares Konzept und endete deshalb in Disziplinslosigkeit, Korruption und Chaos. Auch haben Ungleichheiten in der Vermögens- und Einkommensverteilung eine breite Schicht von Neureichen entstehen lassen, deren Reichtum und aufwendiger Lebensstil provozierend auf jene auf jene wirkt, die am unteren Ende der sozialen Leiter stehen – also die Masse der Bevölkerung.

Mubaraks Regierung trat Ende 1981 ein schweres Erbe an. Durch eine Verbindung der Politik seiner Vorgänger versuchte er einen besonnenen Kurs, der konsumorientierte in eine produktive Öffnungs- politik umwandeln will. Die Wirtschaftsplanung wurde wieder aufgenommen mit dem Ziel, die negativen Wirkungen der Politik Sadats zu beseitigen oder abzuschwächen.

Die Erfolge schienen zunächst bescheiden, konsequente Reformkonzepte nicht erkennbar. Eine straffere Geld- und Finanzpolitik, aber auch umfangreicher Schuldenerlaß nach dem Golfkrieg brachten jedoch Erleichterung: Die Inflationsrate sank, die Zahlungsbilanz- und Haushaltsdefizite verringerten sich und auch das ägyptische Pfund wurde stabiler. Vorsichtige Reformen im öffentlichen Sektor und die Förderung von Privatiniative weisen künftig den richtigen Weg.